Actus Musicus de passione
et morte Jesu Christi
Autograph, 1701 Riga; heute Staatsbibliothek zu Berlin
(Mus.ms.autogr. Meder, J. V. 1).
Besetzung: CCAATTBB; Flauto I/II, Hautbois I/II, Volino I/II;
Viola, Viola da Gamba, Continuo
Text: Matthäus 26, 27; Kirchenlieder:
Nr. 16: Vers 9 von Auf meinen lieben Gott
(Johann Heermann, 1630)
Nr. 28 und 31: Vers 1 und 3 von Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?
(J. Heermann, 1630)
Nr. 35: Vers 2 von Wenn mein Stündlein vorhanden ist
(Nikolaus Herman, 1574)
Nr. 53: Vers 5 von 0 Traurigkeit, o Herzeleid
(Johann Rist, 1641)
Nr. 55: Vers 6 von 0 Jesu Christ, meins Lebens Licht
(Martin Behm, 1602)
Nr. 67: Vers 1 und 2, Zeilen 1 und 2 von Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott
(Paul Eber, 1563)
Nr. 72: Vers 1-8 von 0 Traurigkeit, o Herzeleid
(Johann Rist, 1641).
Modernisierte Schreibweise.
1. Sinfonia (Hautbois I/II, Violino I/II, Organo)
2. Coro (Canto I/II, Alto, Tenore, Basso; Instrumenta concordant cum cantibus):
Höret das Leiden und Sterben unsers Herren Jesu Christi nach dem heilgen Evangelisten Matthäo.
3. Evangelista: Und es begab sich, da Jesus alle diese Reden vollendet hatte, sprach er zu seinen Jüngern:
JESUS: Ihr wisset, dass nach zweien Tagen Ostern wird und des Menschen Sohn wird überantwortet werden, dass er gekreuziget werde. Da versammelten sich die Hohenpriester und Schriftgelehrten und die Ältesten im Volk in dem Palast des Hohenpriesters, der da hieß Caiaphas, und hielten Rat, wie sie Jesum mit Listen griffen und töteten. Sie sprachen aber:
4. Coro
Ja nicht auf das Fest, auf dass nicht ein Aufruhr werde im Volk.
5. Evangelista: Da nun Jesus war zu Bethanien im Hause Simonis, des Aussätzigen, trat zu ihm ein Weib, die hatte ein Glas mit köstlichem Wasser, und goss es auf sein Haupt, da er zu Tische saß. Als das seine Jünger sahen, wurden sie unwillig und sprachen:
6. Coro
Wozu dienet dieser Unrat? Dieses Wasser hätte möcht teuer verkauft und den Armen gegeben werden.
7. Evangelista: Da das Jesus merkte, sprach er zu ihnen:
JESUS: Was bekümmert ihr das Weib? Sie hat ein gut Werk an mir getan. Ihr habt allezeit Arme bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. Dass sie das Wasser hat auf meinen Leib gegossen, hat sie getan, dass sie mich zum Grab bereite. Wahrlich, ich sage euch: Wo dies Evangelium geprediget wird in der ganzen Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.
Evangelista: Da ging hin der Zwölfen einer, mit Namen Judas Ischarioth, zu den Hohenpriestern und sprach:
JUDAS: Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten.
Evangelista: Und sie boten ihm dreißig Silberling. Und von da an suchte er Gelegenheit, dass er ihn verriet. Aber am ersten Tage der süßen Brot traten die Jünger zu Jesu und sprachen:
8. Coro
Wo willst du, dass wir dir bereiten das Osterlamm zu essen?
9. Evangelista: Er sprach:
JESUS: Gehet hin in der Stadt zu einem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist hie, ich will bei dir die Ostern halten mit meinen Jüngern.
Evangelista: Und die Jünger taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und bereiteten das Osterlamm. Und am Abend setzte er sich zu Tische mit den Zwölfen. Und da sie aßen, sprach er:
JESUS: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten.
Evangelista: Und sie wurden sehr betrübet und huben an, ein jeglicher unter ihnen, und sagten zu ihm:
10. Coro
Herr, bin ich’s?
11. Evangelista: Er antwortet und sprach:
JESUS: Der die Hand mit mir in die Schüssel tauchet, der wird mich verraten. Des Menschen Sohn gehet zwar dahin, wie von ihm geschrieben stehet; doch weh’ dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verraten wird! Es wäre ihm besser, dass derselbige Mensch noch nie geboren wäre.
Evangelista: Da antwortet Judas, der ihn verriet, und sprach:
JUDAS: Bin ich’s, Rabbi?
Evangelista: Er sprach zu ihm:
JESUS: Du sagest’s.
Evangelista: Da sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brachs, und gabs seinen Jüngern und sprach:
JESUS: Nehmet, esset, das ist mein Leib.
12. Aria à voce sola, 1 Flauto e 2 Violini
Herr Jesu Christe, dein heiliger Leib stärke und bewahre mich im rechten Glauben zum ewigen Leben.
13. Evangelista: Und er nahm den Kelch, dankte und sprach:
JESUS: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des neuen Testaments, welches vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.
14. Aria à voce sola, 1 Flauto e 2 Violini
Herr Jesu Christe, dein teuer Blut stärke und bewahre mich im rechten Glauben zum ewigen Leben.
15. JESUS: Ich sage euch: Ich werde von nun an von diesem Gewächs des Weinstocks nicht mehr trinken bis an den Tag, da ich’s neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.
16. Aria Canto; Flauto I/II
Dein Blut, der edle Saft,
Hat solche Stärk’ und Kraft,
Dass auch ein Tröpflein kleine
Die ganze Welt kann reine,
Ja, gar aus Teufels Rachen,
Frei, los und selig machen.
17. Evangelista: Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg. Da sprach Jesus zu ihnen:
JESUS: In dieser Nacht werdet ihr euch alle ärgern an mir. Denn es stehet geschrieben: Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen. Wenn ich aber auferstehe, will ich vor euch hingehen nach Galilaeam.
Evangelista: Petrus aber antwortet’ und sprach zu ihm:
PETRUS: Wenn sich auch alle an dir ärgerten, so will ich mich doch nimmermehr ärgern.
Evangelista: Jesus sprach zu ihm:
JESUS: Wahrlich ich sage dir: In dieser Nacht, ehe der Hahn krähet, wirst du mich dreimal verleugnen.
Evangelista: Und Petrus sprach zu ihm:
PETRUS: Und wenn ich mit dir sterben müsste, so will ich dich nicht verleugnen.
Evangelista: Desgleichen sagten auch alle Jünger. Da kam Jesus mit ihnen zu einem Hofe, der hieß Gethsemane, und sprach zu seinen Jüngern:
JESUS: Setzet euch hie, bis dass ich dort hingehe und bete.
18. Sinfonia Adagio (Flauti)
19. Evangelista: Und nahm zu sich Petrus und die zweene Söhne Zebedäi und fing an zu trauern und zu zagen. Da sprach Jesus zu ihnen:
JESUS: Meine Seele ist betrübet bis in den Tod; bleibet hie und wachet mit mir!
Evangelista: Und ging ein wenig, fiel auf sein Angesicht, betet’ und sprach:
JESUS: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!
20. Sinfonia Somnus discipulorum (flauto, violini)
21. Evangelista: Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petro:
JESUS: Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet! Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Evangelista: Zum andern Mal ging er aber hin, betet’ und sprach:
JESUS: Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch von mir gehe? Ich trinke ihn dann, so geschehe dein Wille!
22. Sinfonia
23. Evangelista: Und er kam und fand sie abermal schlafend, und ihre Augen waren voll Schlafs. Und er ließ sie und ging abermal hin und betet’ zum drittenmal und redet’ dieselbigen Worte. Da kam er zu seinen Jüngern und sprach zu ihnen:
JESUS: Ach, wollt ihr nur schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist hie, dass des Menschen Sohn überantwortet wird. Stehet auf und lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät!
Evangelista: Und als er noch redet’, siehe, da kam Judas, der Zwölfen einer, und mit ihm eine ganze Schar, mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Ältesten des Volks. Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen gegeben und gesagt:
JUDAS: Welchen ich küssen werde, der ist’s, den greifet.
Evangelista: Und alsbald trat er zu Jesus und sprach:
JUDAS: Gegrüßet seist du, Rabbi!
Evangelista: Und küsset ihn. Jesus aber sprach zu ihm:
JESUS: Mein Freund, warum bist du gekommen?
Evangelista: Da traten sie hinzu und legten die Hände an Jesum und griffen ihn. Und siehe, einer von denen, die mit Jesu waren, reckte die Hand aus, zog sein Schwert aus und schlug des Hohenpriesters Knecht und hieb ihm ein Ohr ab. Da sprach Jesus zu ihm:
JESUS: Stecke dein Schwert in die Scheide, denn wer das Schwert nimmt, der soll durch’s Schwert umkommen. Oder meinst du, dass ich nicht meinen Vater bitten könnte, dass er mir zuschickte mehr denn zwölf Legion Engel? Wie würde aber die Schrift erfüllet? Es muss also gehen.
24. Sinfonia (Hautbois I/II; Violino I/II)
25. Evangelista: Zu derselbigen Stunde sprach Jesus zu den Scharen:
JESUS: Ihr seid ausgegangen als zu einem Mörder, mit Schwertern und mit Stangen, mich zu fangen. Bin ich doch täglich gesessen bei euch und habe gelehret im Tempel, und ihr habt mich nicht gegriffen.
Evangelista: Aber das ist alles geschehen, dass erfüllet würden die Schriften der Propheten. Da verließen ihn alle Jünger und flohen. Die aber Jesum ergriffen hatten, führeten ihn zu dem Hohenpriester Caiaphas, dahin die Schriftgelehrten und Ältesten sich versammelt hatten. Petrus aber folgete ihm nach von ferne bis in den Palast des Hohenpriesters und ging hinein und setzte sich bei die Knechte, auf dass er sähe, wo es hinaus wollte. Die Hohenpriester aber und die Ältesten und der ganze Rat suchten falsches Zeugnis wider Jesum, auf dass sie ihn töteten, und fanden keines. Zuletzt traten herzu zween falsche Zeugen und sprachen:
PSEUDO TESTES à 2: Er hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes abbrechen, und in dreien Tagen denselben bauen.
Evangelista: Und der Hohepriester stand auf und sprach zu ihm:
CAIAPHAS: Antwortest du nichts zu dem, was diese wider dich zeugen?
Evangelista: Aber Jesus schwieg stille, und der Hohepriester antwortet’ und sprach zu ihm:
CAIAPHAS: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagest, ob du seist Christus, der Sohn Gottes?
Evangelista: Jesus sprach:
JESUS: Du sagst es; doch sage ich euch: Von nun an wird’s geschehen, dass ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen in den Wolken des Himmels.
Evangelista: Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sprach:
CAIAPHAS: Er hat Gott gelästert! Was dürfen wir weiter Zeugnis? Ihr habt nun seine Gottslästerung gehört. Was dünket euch?
Evangelista: Sie antworteten und sprachen:
26. Coro: Er ist des Todes schuldig. |
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27. Sinfonia (Hautbois I/II; violino I/II)
Mit Gemeinde:
O Lamm Gottes, unschuldig,
am Stamm des Kreuzes geschlachtet.
Allzeit erfunden geduldig,
wie wohl du warest geschlachtet.
All Sünd hast du getragen,
sonst müssten wir verzagen.
Erbarm dich unser, o Jesu.
28. Aria (Canto solo, Violini)
Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen,
dass man ein solch scharf Urteil hat gesprochen?
Was ist die Schuld, in was für Missetaten
Bist du geraten?
29. Evangelista: Da spei’ten sie aus in sein Angesicht und schlugen ihn mit Fäusten. Etliche aber schlugen ihn ins Angesicht und sprachen:
30. Coro
Weissage uns, Christe, wer ist’s, der dich schlug?
31. Aria (Canto solo, Violini)
Was ist doch wohl die Ursach solcher Plagen? Ach! meine Sünden haben dich geschlagen.
Ich, ach, Herr Jesu, habe dies verschuldet, was du erduldet.
32. Evangelista: Petrus aber saß draußen im Palast; und es trat zu ihm eine Magd und sprach:
ANCILLA: Und du warest auch mit dem Jesu aus Galiläa.
Evangelista: Er leugnet’ aber vor ihnen allen und sprach:
PETRUS: Ich weiß nicht, was du sagest.
Evangelista: Als er aber zur Türe hinausging, sahe ihn eine andere und sprach zu denen, die da waren:
ANCILLA: Dieser war auch mit dem Jesu von Nazareth.
Evangelista: Er leugnet’ abermals und schwur dazu:
PETRUS: Ich kenne des Menschen nicht.
Evangelista: Und über eine kleine Weile traten hinzu, die da stunden, und sprachen zu Petro:
33. Coro
Wahrlich, du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich.
34. Evangelista: Da hub er an, sich zu verfluchen und schwören:
PETRUS: Ich kenne des Menschen nicht.
Evangelista: Und alsbald krähet’ der Hahn. Da gedachte Petrus an die Wort: Ehe der Hahn krähet, wirst du mich dreimal verleugnen. Und ging hinaus und weinet’ bitterlich.
35. Sinfonia coll’ aria (Tenore)
Mein’ Sünd’ mich werden kränken sehr,
Mein Gewissen wird mich nagen;
Denn ihr sind viel, wie Sand am Meer:
Doch will ich nicht verzagen,
Gedenken will ich an deinen Tod.
Herr Jesu, deine Wunden rot,
Die werden mich erhalten.
36. Evangelista: Des Morgens aber hielten alle Hohenpriester und Ältesten des Volks einen Rat über Jesum, dass sie ihn töteten, und bunden ihn, führeten ihn hin und überantworteten ihn dem Landpfleger Pontio Pilato. Da das Judas sahe, der ihn verraten hatte, gereute es ihn, und bracht’ herwieder die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und Ältesten und sprach:
JUDAS: Ich habe übel getan, dass ich unschuldig Blut verraten habe.
Evangelista: Sie sprachen:
37. Coro
Was gehet uns das an? Da siehe du zu!
38. Evangelista: Und er warf die Silberlinge in den Tempel, hub sich davon, ging hin und erhing sich selbst. Aber die Hohenpriester nahmen die Silberlinge und sprachen:
39. Coro
Es taugt nicht, dass wir sie in den Gotteskasten legen, denn es ist Blutgeld.
40. Evangelista: Sie hielten aber einen Rat und kauften eines Töpfers Acker darum zum Begräbnis der Pilger. Daher ist derselbige Acker genennet der Blutacker bis auf den heut’gen Tag. Da ist erfüllet, was gesagt ist durch den Propheten Jeremiam, der da spricht: Sie haben genommen dreißig Silberling, damit bezahlet ward der Verkaufte, welchen sie kauften von den Kindern Israel, und haben sie gegeben um eines Töpfers Acker, als mir der Herr befohlen hat. Jesus aber stand vor dem Landpfleger, und der Landpfleger fragte ihn und sprach:
PILATUS: Bist du der Jüden König?
Evangelista: Jesus sprach zu ihm:
JESUS: Du sagst’s.
Evangelista: Und da er verklagt ward von den Hohenpriestern und Ältesten, antwortet’ er nichts. Da sprach Pilatus zu ihm:
PILATUS: Hörest du nicht, wie hart sie dich verklagen?
Evangelista: Und er antwortet’ ihm nicht auf ein Wort, also, dass sich auch der Landpfleger sehr verwunderte. Auf das Fest aber hatte der Landpfleger Gewohnheit, dem Volk einen Gefangenen loszugeben, welchen sie wollten. Er hatte aber zu der Zeit einen Gefangenen, einen sonderlichen vor andern, der hieß Barrabas, der war fast rüchtig. Und da sie versammelt waren, sprach Pilatus zu ihnen:
PILATUS: Welchen wollt ihr unter diesen zweien, den ich euch soll losgeben? Barrabam oder Jesum, den man Christum nennet?
Evangelista: Denn er wusste wohl, dass sie ihn aus Neid überantwortet hatten. Und da er auf dem Richtstuhl saß, schickte sein Weib zu ihm und ließ ihm sagen:
UXOR PILATI: Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; denn ich habe heut’ viel erlitten im Traum von seinet wegen!
Evangelista: Aber die Hohenpriester und die Ältesten überredeten das Volk, dass sie um Barrabas bitten sollten und Jesum umbrächten. Da antwortet’ der Landpfleger und sprach zu ihnen:
PILATUS: Welchen wollet ihr unter diesen zweien, den ich euch soll losgeben?
Evangelista: Sie sprachen aber:
41. Coro
Barrabam!
42. Evangelista: Pilatus sprach zu ihnen:
PILATUS: Was soll ich denn machen mit Jesu, den man Christum nennet?
Evangelista: Sie sprachen alle:
43. Coro
Lass ihn kreuzigen!
44. Evangelista: Der Landpfleger sagte:
PILATUS: Was hat er denn Übels getan?
Evangelista: Sie schrieen aber noch mehr und sprachen:
45. Coro
Lass ihn kreuzigen!
46. Evangelista: Da aber Pilatus sahe,ass er nichts schaffte, sondern dass ein größer Getümmel ward, nahm er Wasser und wusch die Hände vor dem Volk und sprach:
PILATUS: Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten, sehet ihr zu!
Evangelista: Da antwortete das ganze Volk und sprach:
47. Coro
Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!
Mit Gemeinde:
O Lamm Gottes, unschuldig,
am Stamm des Kreuzes geschlachtet.
Allzeit erfunden geduldig,
wie wohl du warest geschlachtet.
All Sünd hast du getragen,
sonst müssten wir verzagen.
Erbarm dich unser, o Jesu.
48. Evangelista: Da gab er ihnen Barrabam los, aber Jesum ließ er geißeln und überantwortet’ ihn, dass er gekreuziget würde.
49. Sinfonia, Aria (Canto, Flauto, Violini)
Ach mein Jesu der muss sterben,
Der doch nichte hat verschuld’t,
Nur dass ich nicht soll verderben,
Leid’t für alles mit Geduld.
Unser Sünden müss er büßen,
Und die Kraft nimmt er auf sich,
Die ich Sünder leiden müssen:
Ach, wie liebt mein Jesu mich.
50. Evangelista: Da nahmen die Kriegsknechte des Landpflegers Jesum zu sich in das Richthaus und sammelten über ihn die ganze Schar und zogen ihn aus und legten ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Krone von Dornen und setzten sie auf sein Haupt und ein Rohr in seine rechte Hand und beugeten die Knie vor ihm und sprachen:
51. Coro
Gegrüßet seist du, der Jüden König!
52. Evangelista: Und speieten ihn an und nahmen ein Rohr und schlugen damit sein Haupt. Und da sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm seine Kleider an und führeten ihn hin, dass sie ihn kreuzigten.
53. Aria (Soprano)
O süßer Mund! O Glaubensgrund,
Wie bist du doch zuschlagen?
Alles, was auf Erden lebt,
Muss dich ja beklagen.
54. Evangelista: Und indem sie hinausgingen, fanden sie einen Menschen von Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein Kreuze trug. Und da sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha, gaben sie ihm Essig zu trinken mit Gallen vermischt; und da er’s schmeckte, wollt’ er’s nicht trinken.
55. Aria (Soprano)
Dein Durst und Gallentrunk mich lab,
Wann ich sonst keine Stärkung hab.
Dein Angstgeschrei komm mir zugut;
Bewahr mich für der Höllenglut.
56. Evangelista: Da sie ihn aber gekreuziget hatten, teileten sie seine Kleider und warfen das Los d’rum, auf dass erfüllet würde, was gesagt ist durch den Propheten: Sie haben meine Kleider unter sich geteilet, und über mein Gewand haben sie das Los geworfen. Und sie saßen allda und hüteten sein. Und oben zu seinem Häupt hatten sie die Ursach seines Tod’s geschrieben: Dies ist Jesus, der Jüden König. Und da wurden zween Mörder mit ihm gekreuziget, einer zur Rechten und einer zur Linken. Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen:
57. Coro
Der du den Tempel Gottes zerbrichst und bauest ihn auf in dreien Tagen, hilf dir selber! Bist du Gottes Sohn, so steig herab vom Kreuz!
58. Evangelista: Desgleichen auch die Hohenpriester spotteten sein, samt den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen:
59. Coro:
Andern hat er geholfen, und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von Israel, so steig er nun vom Kreuz, so wollen wir ihm glauben. Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, lüstet’s ihn; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn.
60. Evangelista: Desgleichen schmäheten ihn auch die Mörder, die mit ihm gekreuziget waren.
Mit Gemeinde:
O Lamm Gottes, unschuldig,
am Stamm des Kreuzes geschlachtet.
Allzeit erfunden geduldig,
wie wohl du warest geschlachtet.
All Sünd hast du getragen,
sonst müssten wir verzagen.
Gib deinen Frieden, o Jesu.
61. Aria (Soprano)
Nacket muss mein Jesus hangen
In der Marter Angst und Pein
Und am Kreuz viel Schmach empfangen.
Könnt ein Schmerz wohl größer sein?
Doch aus großer Lieb für mich
Leid’t er das geduldiglich.
62. Evangelista: Und von der sechsten Stunde an, bis zur neunten Stunde, ward eine Finsternis über das ganze Land. Und um die neunte Stunde rief Jesus laut und sprach:
JESUS: Eli, Eli, lama asabthani?
Evangelista: Das ist: Mein Gott! mein Gott! warum hast du mich verlassen? Etliche aber, die da standen, da sie das höreten, sprachen sie:
63. Coro
Er rufet den Elias!
64. Evangelista: Und bald lief einer unter ihnen, nahm einen Schwamm und füllet’ ihn mit Essig und steckt’ ihn auf ein Rohr und tränkte ihn. Die andern aber sprachen:
65. Coro
Halt, laß sehen, ob Elias komme und ihm helfe!
66. Evangelista: Aber Jesus schrie laut und verschied.
67. Aria (Soprano)
Herr Jesu Christ, wahr’ Mensch und Gott,
Der du litt’st Marter, Angst und Spott,
Für mich am Kreuz auch endlich starbst
Und mir deins Vaters Huld erwarbst:
Ich bitt’ durch’s bitter Leiden dein,
Du wollst mir Sünder gnädig sein,
Wenn ich nun komm in Sterbens Not
Und ringen werde mit dem Tod.
68. Evangelista: Und siehe! der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stück, von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebete, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, und standen auf viel Leiber der Heiligen, die da schliefen, und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und erschienen vielen. Aber der Hauptmann und die bei ihm waren und bewahreten Jesum, da sie sahen das Erdbeben und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen:
69. Coro
Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!
70. Ritornello; Aria (Cantus, Hautbois, Violini)
Elemente selbst erschrecken über
Christi Kreuz und Tod,
Und die Sonne muss bedecken
Ihr goldprahlend Purpurrot:
Erd und Felsen die bezeugen
Ihren Schmerz bei dieser Leich,
Ja, der Hauptmann kann nicht schweigen
Und wird ganz vor Trauern bleich.
71. Evangelista: Und es waren viel Weiber da, die von ferne zusahen, die da Jesu waren nachgefolget aus Galiläa und hatten ihm gedienet; unter welchen war Maria Magdalena und die Mutter Jacobi und Joses’, und die Mutter der Kinder Zebedäi. Am Abend aber kam ein reicher Mann von Arimathia, der hieß Joseph, welcher auch ein Jünger Jesu war. Der ging zu Pilato und bat’n um den Leib Jesu. Da befahl Pilatus, man sollt’ ihn ihm geben. Und Joseph nahm den Leib und wickelte ihn in ein rein Leinwand und legte ihn in sein eigen neu Grab, welches er hatte lassen in einen Felsen hauen, und wälzte einen großen Stein vor des Grabes Tür und ging davon.
72. Sinfonia; Aria (Hautbois, Violini; Canto, Tenore, Basso)
O Traurigkeit, o Herzeleid!
Ist das nicht zu beklagen?
Gott des Vaters einig Kind
Wird ins Grab getragen.
O große Not! Gott selbst liegt tot.
Am Kreuz ist er gestorben;
Hat dadurch das Himmelreich
Uns aus Gnad erworben.
O Menschen Kind, nur deine Sünd
Hat dieses angerichtet,
Da du durch die Missetat
Warest ganz vernichtet.
Dein Bräutigam, das Gotteslamm,
Liegt hier mit Blut beschlossen,
Welches es ganz mildiglich
Hat für dich vergossen.
O süßer Mund. O Glaubensgrund,
Wie bist du doch zuschlagen!
Alles, was auf Erden lebt,
Muss dich ja beklagen.
O lieblichs Bild, schön, zart und mild,
Du Söhnlein der Jungfrauen,
Niemand kann dein heil’ges Blut
Sonder Reu anschauen.
Hochselig ist zu aller Frist,
Der dieses wohl bedenket,
Wie der Herr der Herrlichkeit
Wird ins Grab versenket.
O Jesu du, mein Hilf und Ruh!
Ich bitte dich mit Tränen:
Hilf, dass ich mich bis ins Grab
Nach dir möge sehnen.
73. Evangelista: Es war aber allda Maria Magdalena und die andere Maria, die setzten sich gegen das Grab. Des andern Tages, der da folget nach dem Rüsttage, kamen die Hohenpriester und Pharisäer sämtlich zu Pilatus und sprachen:
74. Coro
Herr, wir haben gedacht, dass dieser Verführer sprach, da er noch lebte:
Ich will nach dreien Tagen auferstehen. Darum befiehle, dass man das Grab verwahre bis an den dritten Tag, auf dass nicht seine Jünger kommen und stehlen ihn und sagen zu dem Volk:
Er ist auferstanden; und werde der letzte Betrug ärger denn der erste.
75. Evangelista: Pilatus sprach zu ihnen:
PILATUS: Da hab’t ihr die Hüter; gehet hin und verwahret, wie ihr wisset.
Evangelista: Sie gingen hin und verwahreten das Grab mit Hütern und versiegelten den Stein.
76. Coro
Dank sei unserm Herren Jesu Christo,
der uns erlöset hat durch sein Leiden von der Hölle. |
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O Lamm Gottes, unschuldig ...
Aus:
Melodeyen Gesangbuch...
Hamburg 1604, S. 278 f.
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